Anne Diestelkamp

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VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Medien
Performances, Gespräche, Screenings, Performative Spaziergänge
Kunstmuseum Bonn und Bonner Stadtraum
2025


Vom 11. April bis 18. Mai fand die VIDEONALE.20 im Kunstmuseum Bonn und an sechs Austellungsstationen im Bonner Stadtraum statt, darunter ein Transporter, eine ehemalige Zentrifuge, ein Club, ein leerstehendes Ladenlokal, ein Schaufenster und das Flow Atelier. 

Während des Festivals luden wir zu Performativen Stadtspaziergängen, Körperlichen Annäherungen an Videokunst, Gesprächen, Screenings, und Gesprächen ein.

Das vollständige Programm gibt es hier.

Künstlerische Leitung: Tasja Langenbach und Annette Ziegert
Programmkuratorin: Anne Diestelkamp

📷 Jo Hempel und David Ertl




WE HAVE BREATH IN OUR BODIES AND IT BLOWS 
Physcial Introduction 
zu Ana Torf’s Videoarbeit When You Whistle, It Makes Air Come Out
Maryna Makarenko
Kunstmuseum Bonn
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025

Die Performance- und Videokünstlerin Maryna Makarenko beschäftigt sich in ihrer Arbeit immer wieder mit der Atmung. Für die VIDEONALE.20 entwickelte Makarenko eine Physical Introduction zu Ana Torfs Videoarbeit When You Whistle, It Makes Air Come Out. Torfs’ Installation, deren Rhythmus vom Klang ihres Atems bestimmt wird, basiert auf den Studien des Schweizer Psychologen Piaget zu kindlichen Vorstellungen von Ursache und Wirkung. Die überraschenden Antworten der Kinder auf Fragen wie z.B. „Woher kommt der Wind?“ erscheinen als Schriftzüge in einem alten Leuchtkasten.


📷  Jo Hempel
THE ARCHISONIC
Performance
Mark Bain
Trinkpavillon Bad-Godesberg
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025

Seit Ende der 1990er-Jahre untersucht Mark Bain die Schwingungen von Gebäuden und deren materielle Beschaffenheit. Dazu nutzt er Schallwellen, die oft unterhalb der Wahrnehmungsgrenze liegen. In seinen Soundarbeiten wirken sie wie ein unsichtbares Objekt, das das Publikum physisch spüren kann. Diese Projekte entwickelten sich aus Bains Forschungen über die Beziehung zwischen der Resonanzfrequenz des menschlichen Körpers und der Architektur im Rahmen seiner Dissertation am MIT in Cambridge, Massachusetts.

The Archisonic Bain interessiert sich für besondere Orte und Architekturen und dafür, wie verschiedene Materialien klingen. Wie bei einem Instrument gibt es verschiedene Formen und Größen und verschiedene Materialien, die die Schallwellen beeinflussen. 

Bain selbst beschreibt seine Soundperformances als ‘Soundbath’. Im Rahmen der Eröffnung der VIDEONALE.20 luden wir, meine Kolleginnen Annette Ziegert, Tasja Langenbach und ich, das Publikum zu einem Soundbad im Trinkpavillon Bad-Godesberg ein, das den Körper wie eine physisch erfahrbare Klangskulptur umhüllt. 1962 wurde an diesem Ort eine Heilquelle erbohrt, die Kurfürstenquelle. 1969/70 folgte der Bau eines kubischen Pavillons, der seitdem als Ausschankort von Heilwasser dient. 

📷 Jo Hempel

IMBISS AM TRINKPAVILLON
Kulinarische Intervention
Paula Erstmann
Trinkpavillon Bad-Godesberg
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025

Der Trinkpavillon in Bonn-Bad Godesberg schenkt seit 1969 Heilwasser aus der Kurfürstenquelle aus. Am Eröffnungswochenende der VIDEONALE.20 lud die Künstlerin Paula Erstmann zum gemeinsamem Essen auf der Terrasse des Pavillon ein – vom Heilwasseraperitif zu heimischen Wildkräuterpestos war alles dabei. Paula Erstmann arbeitet vorwiegend mit Lebensmitteln als künstlerischem Medium. Ihre Performances, Menüs und Essens-Installationen verhandeln die gesellschaftlichen Kontexte der verwendeten Nahrungsmittel und sind künstlerische Forschungsarbeiten zwischen Kunst und Alltäglichem. Die kulinarische Arbeit der in Berlin lebenden Künstlerin öffnet sowohl sinnliche als auch soziale Räume. Mit ihrer Arbeit und der Idee des gemeinsamen Speisens bricht sie Distanzen auf und ermöglicht Raum für Dialog. 

📷 Jo Hempel


RESONANZ: WHENEVER I SAW HER, I KNEW I WAS DREAMING
Collective Reading und Gespräch
Stéphanie Lagarde und Beatrice Gibson, moderiert von Anna Holms
Kunstmuseum Bonn
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025

In ihren Videoarbeiten befassen sich die Künstler*innen Beatrice Gibson und Stéphanie Lagarde mit dem Thema Elternschaft und Selbstaufgabe. In einer partizipativen Lesung setzten wir uns gemeinsam mit Auszügen aus Annie Ernaux’ Roman A Frozen Woman

📷 Jo Hempel und David Ertl
RESONANZ: DELIVER, DELIVER, DELIVER
Collective Reading und Gespräch
Mit Ida Kammerloch, Stephan Panhans & Andrea Winkler 
Kunstmuseum Bonn
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025
        
In der Videoarbeit Anima Overdrive von Stefan Panhans & Andrea Winkler rappt eine Künstlerin über den erschöpfenden Kreislauf von Lieferungen, von physischen Gütern bis zu abstrakten Konzepten. Ida Kammerloch erzählt in Aren’t you afraid to swing on Russian swings? anhand der Geschichte ihres Großvaters vom Shuttle-Trade zwischen Russland und China. In einer partizipativen Lesung haben wir die beiden Werke in Resonanz mit Textauszügen aus Heike Geißlers Roman Saisonarbeit (Seasonal Associate) gebracht, in dem die Autorin über ihre Arbeit für Amazon und die damit verbundene Erschöpfung und Entfremdung schreibt. 

📷 Jo Hempel und David Ertl
ÜBER RESILIENZEN
Gespräch in drei Kapiteln
Philipp Guffler, Ana María Millán, Marcel Odenbach und Yan Wai Yin
Kunstmuseum Bonn
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025

Seit Entstehung der Videokunst in den 1960er-Jahren nutzen Künstler:innen das Medium Video, um machtkritisch und mit künstlerischen Mitteln subversiv, widerständig und resilient der Unterdrückung von Menschen und ihrer Vielfalt zu begegnen. Welchen sozialen, politischen und ökologischen Einflüssen menschliche und nichtmenschliche Subjekte unfreiwillig ausgesetzt sind und wie sie diesen standhalten, ist Thema vieler Werke der VIDEONALE.20. Das Medium Video wird dabei zum Instrument des Aufdeckens, Bewahrens, aber auch der Welterzeugung und damit selbst zum Ausdruck von Resilienz. In drei Gesprächsrunden sprechen VIDEONALE.20-Künstler:innen über das Phänomen des Standhaltens in ihrer Arbeit. 

Kapitel 1: Marcel Odenbach und Yan Wai Yin im Gespräch mit Kathrin Jentjens
Ständig auf dem Sprung sein (Marcel Odenbach) und Muted Bridges (YAN Wai Yin) thematisieren die Folgen autoritärer Systeme, die in Migration oder Verstummen münden. In einer Collage aus produzierten und vorgefundenen Sequenzen beschäftigt sich Odenbach mit dem Phänomen des (erzwungenen) Aufbruchs und Unterwegsseins. YAN Wai Yin bewahrt in einer tagebuchartig anmutenden Videodokumentation indirekt die Protestbewegung 2019/20 in Hongkong gegen die Einflussnahme Chinas. 

Kapitel 2: Philipp Gufler im Gespräch mit Kat Lawinia Gorska 
Ein Wasserstrahl zielt auf die Herzgegend eines nackten Körpers, der Stand hält: In The Beginning of Identification, and its End beschäftigt sich Philipp Gufler mittels historischen Aufnahmen und inszeniertem Bewegtbild mit der erfolgreichen Emanzipationsgeschichte geschlechtlicher Diversität und Sichtbarkeit queerer Körper, die er mit dem gegenwärtigen Homonationalismus und seiner Vereinnahmung von LSBTIQ-Emanzipationsforderungen für antimuslimischen Rassismus und Ausgrenzung kontrastiert. 

Kapitel 3: Ana María Millán und Nieves de la Fuente Gutiérrez
In ihrer Arbeit beschäftigt sich Ana María Millán mit der Ausbeutung von Ressourcen und deren Auswirkung auf das Ökosystem. In Desert – einer Kombination aus Computersimulation und Videospiel – begeben sich die Spieler:innen von den Bergbauminen bei Cali, Kolumbien, in eine karge Wüste, die von Erdöl überzogen ist, und beginnen, in das Öl einzutauchen. Im Gespräch der Künstlerin mit der Kuratorin Nieves de la Fuente Gutiérrez spricht Ana María Millán über das Potenzial von Gaming als machtkritisches Werkzeug, um Welten zu erschaffen.

📷 Jo Hempel
INTER – RUPTION
Performativer Stadtspaziergang
Evamaria Schaller
Stadtraum Bonn
Im Rahmen der VIDEONALE.20 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen
2025

Während der VIDEONALE.20 waren, anders als in früheren Ausgaben des Festivals, nicht nur Videoarbeiten im Kunstmuseum Bonn zu sehen, sondern auch an sechs ungewöhnlichen Ausstellungsstationen in der Bonner Innenstadt: in einem ehemaligen Ladenlokal, einem Club, einem Projektraum, einem Transporter, einer ehemaligen Zentrifuge und in einem Schaufenster.

Um die Zusammenhänge der Videoarbeiten für das Publikum umfassender erlebbar zu machen, entwickelten meine Kollegin Annette Ziegert und ich ein Konzept für geführte Stadtspaziergänge. Wir beauftragen verschiedene Künstler*innen, für die Laufwege Impulse oder partizipative Performances zu erarbeiten.

Während des performativen Stadtspaziergangs ‚Inter – ruption‘ mit Evamaria nahmen wir queerfeministische Perspektiven auf den Bonner Stadtraum ein. Ausgehend von VALIE EXPORTs Arbeit „Syntagma“ entwickelte die Künstlerin für das Publikum Interventionen im öffentlichen Raum, Aktionen in der Gruppe und Fragestellungen zur Repräsentation von verschiedenen Körpern in der Öffentlichkeit. Der Stadtspaziergang führte entlang der Ausstellungsstationen der VIDEONALE.20, darunter der Club Blow Up mit Julia Scher’s Arbeit „Lip Sync 2025“ oder das Atelier Meissner mit der Arbeit I AM THE FIRST LESBIAN I EVER MET von Dani und Sheila Restack.

📷  David Ertl
ERDVERKOSTUNG
Workshop
masharu

Ehemalige Feuerwache Wolfen
2024

Die Region um Bitterfeld-Wolfen galt lange als dreckigste Gegend Europas. Das vergiftete Grundwasser dort muss rund um die Uhr abgepumpt und gefiltert werden. Wegen der Bodenverseuchung war selbst angebautes Gemüse in der Stadt lange Zeit nicht essbar.
masharu arbeitet seit vielen Jahren an einem lebendigen Archiv aus essbarer Erde. Ziel dieses Museum of Edible Earth ist es, eine umfangreiche Sammlung von Erden aus möglichst vielen Ländern zusammenzustellen, die sich verzehren lassen. Für das OSTEN Festival in Bitterfeld-Wolfen entwickelten masharu und ich die Idee für einen Workshop mit Erdverkostung. Das Publikum war eingeladen, mehr über essbare Erde zu lernen, Erde zu essen, Geschmackserfahrungen zu teilen und über die eigene Beziehung zur Erde ins Gespräch zu kommen. 

📷 Falk Haberkorn

GREEN RIVERS TONGUE-TIED
Performance
Maryna Makarenko
Ehemalige Feuerwache Wolfen
2024

Zusammen mit der in der ukrainischen Industriestadt Schostka geborenen Künstlerin Maryna Makarenko entwickelte ich 2024 eine Performance, die sich mit den Mythen, Gerüchten und Rätseln über die Geschichte der Svema Filmfabrik auseinandersetzt. Mit Elementen der Bildenden Kunst, der Stimme, des Körpers und elektronischer Musik nahm Makarenko das Publikum mit auf eine Entdeckungsreise durch die Filmfabrik. Irdische und mythische Wesen, Reales und Fiktives verweben sich sich in Makarenkos Performance zu einer Erzählung über die Bedingungen weiblicher Arbeit, über menschliche Körperflüssigkeiten und die Materialität der Filmfabrik selbst. 


Konzept: Maryna Makarenko
Dramaturgie: Anne Diestelkamp
Bühnenbild: Svitlana Selezneva
Sound: Lukas Grundmann

In Kooperation mit dem Goethe-Institut New York

📷 Falk Wenzel